"Die Romantik – insbesondere in der bildenden Kunst – zählt zu den publikumswirksamsten kulturellen Themen in Deutschland. Dies zeigen u.a. die großen Erfolge der Caspar-David-Friedrich-Schau in Hamburg 2006/07 und der Ausstellung „Die Geburt der Romantik“ im Pommerschen Landesmuseum Greifswald 2010. Vermehrt begeben sich Besucher – oft auch von fern angereiste – auf die Spuren der Romantiker, suchen die Plätze auf, von denen sich die Künstler inspirieren ließen, die sie in ihren Werken verewigten. Der wichtigste Vertreter dieser Kunstrichtung ist Caspar David Friedrich, geboren und aufgewachsen in Greifswald und auch später immer wieder in seine Heimatregion zurückkehrend, die sich in seinen zum Kanon der Weltkunst gehörenden Werken widerspiegelt.
Nicht nur die Insel Rügen, sondern auch andere Gebiete im heutigen Mecklenburg-Vorpommern zogen Romantiker an oder bildeten die Landschaft ihres Lebens – etwa bei Philipp Otto Runge aus Wolgast, Friedrich August von Klinkowström aus Ludwigsburg, Georg Friedrich Kersting aus Güstrow oder bei den in die Region reisenden Johan Christian Clausen Dahl aus Norwegen und Carl Gustav Carus aus Leipzig. Neben Dresden entwickelte sich Mecklenburg-Vorpommern zum Zentrum einer der wichtigsten Kunstrichtungen des neuzeitlichen Deutschlands. Einer Kunstrichtung, die zugleich für ein heute wieder vermehrt gesuchtes Lebensgefühl, ein Sehnsuchtsziel steht." (Quelle: Hirnstorf Verlag)
Am 18. September 2013 kamen in der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin Dr. Birte Frenssen / Direktorin des Pommerschen Landesmuseeum Greifswald, Ulf Steiner / Direktor Nationalparkzentrum Königsstuhl, Andrea Hildebrandt / Bildende Künstlerin und Sylvia Bretschneider / Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern zusammen, um die Bedeutung der Romantik als neues Element in der Darstellung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu diskustieren. Unter der Moderation von Prof. Mathias Feige entstand eine anregende Diskussion, die ca. 120 interessierte Besucher verfolgten.
Nach der Lesung aus dem am 05. September erschienenen Bildband "Natürlich romantisch" von Dr. Birte Frenssen begann die Diskussion. Für Kontroverse sorgte der Slogan "Mecklenburg-Vorpommern - Natürlich romantisch", der der vom Tourismusverband und Dr. Birte Frenssen ins Leben gerufenen Initiative für das "Romantikjahr 2014" übergestellt ist und die Themen Natur - Romantik in der touristischen Vermarktung des Landes Mecklenburg-Vorpommern etablieren soll. Ich merkte an, die Anwendung des Slogans, insbesondere der Begriffskopplung "Natürlich romantisch" auf Mecklenburg-Vorpommern bezogen, hat aus kunsthistorischer Sicht selbstverständlich seine Berechtigung. Jedoch eröffnet sich bei der Verwendung der Begriffe in dem Zusammenhang zum heutigen Erscheinungsbild des Landes ein Widerspruch zur Realität. Die Fragen, die sich daraus folgern: Sind also diese propagierten „natürlichen", "romantischen“ Orte/Landschaften überhaupt noch existent in heutiger Zeit, bzw. sind diese Orte nicht lediglich kleinste Ausschnitte aus einem Land, das flächendeckend von Windparks überdeckt wird und über 50% der Gesamtfläche für industrialisierte Landwirtschaft vorhält? Industrialisierte Landwirtschaft, die bedeutet: Zerstörung von gewachsenen Strukturen / Flächen, Verdrängung von Kleinbauern durch Agrargroßkonzerne, Forcierung von Monokulturen und Massentierhaltung, Zerstörung der biologischen Vielfalt, schliesslich Veränderung des Landschaftsbildes.
Ich richtete an die Vertreterin des Tourismusverbandes desweiteren die Frage, ob Maßnahmen wie der Ausbau einst kleiner authentischer Orte wie Zingst auf dem Darss hin zu überlasteten Ferienhausansammlungen, neben weiteren Beispielen auf Rügen zu Zwecken der touristischen Vermarktung nicht konträr zu den Gründen stehe, warum Gäste überwiegend an die Ostsee kämen - auf der Suche nach Natur, nach Ruhe, nach Kultur und damit auch konträr zu der ins Leben gerufen Initiative zur touristischen Vermarktung. Der sicherlich maßgeblich auch durch die Tourismuslobby forcierte Ausbau der B96 nach Rügen, weswegen beispielsweise unlängst Jahrhunderte alte Alleebäume gefällt wurden, fand Beachtung. Prof. Mathias Feige nahm diesen geäußerten Aspekt auf und fragte, ob es sich dann nicht um eine "Mogelpackung" handle, mit der der Tourismusverband versuche Gäste nach M-V zu locken. Die Vertreterin des Tourismusverbandes äußerte daraufhin die bekannten Formeln, dass alle Maßnahmen seine Wichtigkeit und Richtigkeit hätten und man dabei selbstverständlich auch zukünftig versuchen müsse verschiedene Interessen zu berücksichtigen...
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass anzunehmen ist, dass die BesucherInnen Mecklenburg-Vorpommerns im Allgemeinen ein seltsam verschobenes Bild von Natur bzw. Natur-Landschaft zu haben scheinen. Glaubt man zumindest der Vertreterin des Tourismusverbandes Sylvia Bretschneider, die der Überzeugung ist, dass die Touristen eben gerade die weiten Rapsfelder sehen wollen und auch deswegen nach Mecklenburg-Vorpommern kämen. Man assoziiere diese eben unweigerlich mit dem Land. Dass diese Felder mit Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenhang gebracht werden können, liegt leider auf der Hand, da diese das Land maßgeblich mitgestalten. Sicher ist auch der starke Farbkontrast des kräftigen Gelb zum strahlenden Blau des Himmels schön anzuschauen. Jedoch - trotz all der farbigen Schönheit - sind diese riesigen Monokultur-Felder, in denen alles ausser der Ertragskultur totgespritz wird, wirklich das, was wir als Schönheit der Landschaft verstehen? Oder gar heute als "Natur" - die Leben und Vielfalt bedeutet, begreifen? Das wäre tragisch.
Andrea Hildebrandt